Dienstag, 1. Februar 2022

Was siehst du?

 

Nun stehe ich hier. Im Raum der vielen Spiegel und ich weiß gar nicht, warum ich hier bin. Sieh dich an, sagten sie mir. Geh und sieh dich an und sag uns, was du gesehen hast.

Was ich sehe? Einen dummen Jungen, der in allem versagt. Kein Zauber will gelingen, keine Anweisung kann er befolgen. Ja, nicht einmal zugeben, dass er glücklich ist, dass er noch lebt. Ich sehe nur einen dummen Jungen, der versucht die ganze Welt zu hassen. Am liebsten würde ich die Spiegel alle zertrümmern. Alle auf einmal, damit diese Art der Folter aufhört.

Sieh dich an und sag uns, was du gesehen hast!

Aber das ist es nicht, was ich sehe. Ich sehe einen Mann neben mir, der sanft mit mir spricht. Ich sehe, wie er mich versucht zu trösten und ich sehe, wie ich ihn verletze. Ich brauche dich, formen meine Lippen. Ich sehe dieses wunderschöne Mädchen, ihr Lächeln, welches wie ein Sonnenstrahl meine Seele erwärmt. Plötzlich sind beide weg und ich sehe nur mich. Allein in den mit Spiegeln vollgestopften Raum. Es ist keine Wut, die ich spüre. Ein Bedauern legt sich auf meine Züge und ich beginne zu verstehen. Die ganze Zeit war sie in mir und ich vermochte sie nicht zu deuten. Diese Traurigkeit, die sich seit jenem Schicksal in mich fraß. Jene Wut, jener Zorn geboren aus tiefster Verletztheit.

Ich sehe einen Jungen, der anfangen sollte zu zugeben, dass er viel mehr bekam, als er verloren glaubte. Dieser dumme Junge mit seinen hellbraunen Augen und braunen Haaren, mit gestählten Muskeln muss lernen, dass er es nicht besser hätte haben können. Menschen waren um ihn, die ihn liebten. Menschen, die für ihn sterben würden. Langsam entblöße ich meine Narbe am Becken und streiche mit spitzen Fingern über sie. Ohne meine Kameraden, ohne meine jetzigen Freunde, stünde ich nicht hier. Ohne sie gäbe es mich nicht. Es tut mir leid, flüstere ich mir selbst zu. Und zum ersten Mal sehe ich mich ganz deutlich.

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Was siehst du?

  Nun stehe ich hier. Im Raum der vielen Spiegel und ich weiß gar nicht, warum ich hier bin. Sieh dich an, sagten sie mir. Geh und sieh dich...