Sonntag, 31. August 2014

Maras Welt (Tagebucheintrag Nr. 7)

Tagebucheintrag Nr. 7
11. Mai 2012


Hopefield Clinic



In den Letzten acht Tagen hetzte ich von einem Krankenhaus zum nächsten und noch immer muss ich weiter suchen. Nirgends gab es einen Platz für mich. So langsam schleicht sich der Verdacht heran, dass ich hier nicht hingehöre und niemals hätte herkommen dürfen. Ich bin nun mal eine Deutsche und selbstverständlich stellen die erst einmal ihre Landsleute ein, doch dass es so schwer werden würde, habe ich mir nicht vorstellen können. Schließlich bin ich eine EU - Bürgerin, die in ganz Europa Willkommen ist, wenn man den Medien einmal glaubt. Davon spüren, tue ich nichts. Viele Kliniken bleiben nicht mehr, die meisten klapperte ich ab. Heute versuche ich es in der
Hopefield Clinic, die in Penge an der Westwood Hill liegt. Eigentlich mag ich keine Psycho Krankenhäuser, nur leider habe ich alle anderen abgearbeitet und mir bleibt nur noch wenig Auswahl. Von der Station Sydenham aus, laufe ich also meine Zielstraße entlang, bis ich das Schild entdecke.

Hopefield Clinic
Psychotherapy &Trauma Hospital

Das Gebäude wirkt auf mich eher zu klein, als dass es sich wirklich um eine stationäre Einrichtung handel kann, jedoch lasse ich mich gerne überraschen. Mit der Routine, die ich mir in den vergangenen Tagen aneignete, betrete ich die Klinik und schreite auf den Empfang zu. Das Schild machte mich schon irgendwie stutzig. Clinic oder Hospital, in was für einer Einrichtung befand ich mich gerade?
Diesmal lächelt mich ein junger Mann ab, dem ich erkläre, dass ich mich ungefragt, bewerben möchte. Wie ich all die anderen vor ihm greift er nach dem Hörer und ruft irgendwo an, dann sagt er mir, ich solle warten. Was ich auch mache. Nach gut einer viertel Stunde kommt ein Mann, so um die Mitte dreißig auf mich zu und stellt sich mir als Andrew Hopefield vor. Da es sich hier um ein privates Krankenhaus handelt, gehe ich davon aus, dass ich mit dem Sohn des Inhabers spreche. Höflich sage ich meinen Namen und folge ihm in sein Büro. Dort befinden sich zwei Schreibtische und an dem einen sitzt ein Mann mit ergrautem Haar, der mich neugierig anschaut. Auf seinem Namensschild steht: Prof. Dr. Martin Hopefield.
Wie selbstverständlich reiche ich ihm meine Hand und lege meine Bewerbungsunterlagen auf den polierten, dunkelglänzenden Tisch. Nervös spiele ich mit meinen Fingern, ohne mir Gedanken darüber zu machen, ob das ein Ausdruck irgendeiner psychischen Störung ist. Der junge Dr. Hopefield beobachtet mich sehr genau, ich flüchte mich in ein verlegenes Lächeln und streiche mir eine Strähne aus dem Gesicht. Wieder klopft mir mein Herz bis zum Hals, und ich beginne zu schwitzen. Dieser Raum ist warm, viel zu warm.
»Wir sind eine kleine Einrichtung mit fünfundzwanzig Betten«, erklärt er, als er meine Unterlagen vor sich hinlegt. »Uns fehlt zwar gerade eine Schwester, doch du hast auf einer Unfallstation gearbeitet und keine Ahnung mit dieser Art von Erkrankung. Es ehrt dich, dass du dich getraut hast, zu uns zukommen, aber ich muss es mit meinem Sohn besprechen. Miss Faber, wir werden uns auf jeden Fall melden. Bis dahin wünsche ich alles Gute.«
Mein Lächeln friert mir regelrecht im Gesicht ein. Kein Muskel lässt sich bewegen. Wie in Trance erhebe ich mich von meinem Platz und folge Junior aus dem Zimmer. Zittrig schreibe ich die Adresse des Hotels, so wie meine Mobilnummer auf einen Zettel den Dr. Hopefield an sich nimmt. Mit einem kräftigen Händedruck verabschiedet er sich von mir und dreht sich auf dem Flur noch einmal zu mir herum.

Müde schließe ich meine Augen und schaue zum Himmel empor. Meine Kräfte sind aufgebraucht und meine Hoffnung aufgezerrt. Selbst in einem fremden Land bekomme ich keinen Fuß auf die Erde.
Es ist so einfach, ich muss es nur machen, wie Melissa und ich wäre frei. Langsam schlendere ich zur Overground Station zurück und versuche das Krampfen meines Herzens zu unterbinden. Mir bleiben nur noch vier Tage und dann muss ich mein Hotelzimmer räumen. Diese Angst lähmt mich und ich spüre, wie ein Sog nach mir greift und mit sich zerren will. Noch kämpfe ich.

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