Montag, 8. September 2014

Der Dämon im Bad

Natürlich hörte ich von den Gerüchten, ein Dämon wüte in der Stadt. Aber mal ehrlich,  soll ich diesen Quatsch glauben? Die Zeitungen sind voll von diesem - Wesen. Die Leute haben mal wieder nichts Besseres zu tun, als die Gesellschaft in Angst und Schrecken zu versetzen. Diese verdammten Journalisten. Diese Geldgeier. Was die einen immer versuchen, aufzutischen. Mal ist es eine schlimme Krankheit, dann sprechen sie von einer Seuche und jetzt soll es eine Höllenkreatur sein. Wütend werfe ich die Zeitung zurück zu den anderen und verlasse den Bahnhofskiosk, dabei schaue ich auf meine Uhr und stelle fest, dass meine Bahn erst in fünfzehn Minuten fährt. Womöglich sollte ich mir den Blödsinn doch einmal durchlesen, entscheide mich jedoch dagegen. Tamara, mit der ich mir ein Büro teile, ist völlig durch den Wind. Sie sagte mir, sie schließe alle Türen ab, prüfe jedes Fenster, bevor sie es sich gemütlich vor dem Fernseher macht. Beinahe hätte ich sie laut ausgelacht. Absurd. Einfach absurd, weil niemand das Ungeheuer sah, um es beschreiben zu können. Selbstverständlich handelt es sich um einen Menschen, das Wissen beruhigt meine Nerven. Schlimm ist das schon, was dieser Wahnsinnige mit seinen Opfern anstellt und ich hoffe, die Polizei fängt ihn bald, damit das Abschlachten ein Ende findet. 
Ich stapfe von einem Bein auf das andere und starre zu der Anzeigentafel empor. Noch drei Minuten, dann geht es nach Hause. 
Kreischend fährt mein Zug ein und ein Schwarm wildgewordener Jugendlicher drückt mich von der Tür weg. Es ist doch immer das Gleiche mit diesem Pack, denke ich beim Einsteigen. Vor zehn Jahren war ich aber anders. Bestimmt! Suchend schaue ich mich um, finde einen Sitzplatz, steure auf ihn zu und vor meiner Nase setzt sich ein fünfzehnjähriges Mädchen darauf. Wütend schnaufe ich. Vielleicht ist sie auch jünger oder älter, aber noch keine Achtzehn! Warum holt das Monster sich nicht so eine?, frage ich mich. Warum immer hübsche Frauen um Mitte zwanzig? Diese Göre könnte er sich ruhig holen, sie ist eine Diebin und genauso grinst sie mich auch an. »Na, wolltest du den Platz? Pech gehabt«, sagen ihre Augen. Mit halb offenem Mund kaut sie ihr Kaugummie. Ich rümpfe die Nase. Diesem Mädchen möchte ich zu gerne den Hals umdrehen, doch ich gehe gelangweilt an ihr vorbei und finde einen Platz neben einem älteren Herrn, der aus dem Fenster stiert. Nachdenklich blicke ich auf die Tageszeitung, die auf seinem Schoß liegt. Zwei rote Augen starren mich an und darunter steht: Der Frauenschlächter in Dämonengestalt. Beinahe lache ich laut los. Was für ein Blödsinn die Nachrichtenagenturen einen verkaufen wollen. Jetzt hat das Ungeheuer rote Augen, dabei hat es doch noch keiner gesehen. Was die sich alles ausdenken, um Schlagzeilen zu kreieren. Unter der Zeichnung sind die Bilder der getöteten Frauen und sie sind nicht viel jünger oder älter als ich. In diesem Moment fällt mir erst auf, dass auch ich in dieses Schema passe und mir läuft es eiskalt den Rücken hinunter. Nur gut, dass ich bald daheim bin und mich aufwärmen kann. Mir ist nämlich verflucht kalt. Vielleicht sollte ich es Tamara gleich tun und mich in meiner Wohnung einsperren. Natürlich, lass dich von dem Wahnsinn ruhig anstecken Sofia, dann bist du genauso bescheuert, wie Tamara, die du vor ein paar Stunden noch ausgelacht hast! 
Nein, ich lasse mich nicht von der Massenpanik überrollen und tue das, was ich immer mache, wenn ich von der Arbeit komme. Es gibt keine Dämonen, es gibt nur Menschen, die sich wie welche benehmen. Punkt, fertig, aus! 

Endlich kann ich mir den Dreck von meiner Haut waschen. So ein verdammter Spinner fuhr doch tatsächlich mit seiner Karre durch eine Pfütze, bespritzte mich von oben bis unten mit dreckigem Wasser und rauschte davon. Wütend grabsche ich nach meinem Duschgel, meinem Schwamm und seife mich ein. 
Zum Glück brauchte ich nur fünf Minuten bis zu mir, ansonsten wäre ich vor Kälte erfroren. Draußen sind gerade mal vier Grad über null und der lässt mich klitschnass da stehen. Der Bus war abgefahren, ich suchte nach meinem Schirm in meiner Tasche, als eine Wasserfontäne auf mich niederging. Ich glaube mich zu erinnern, dass ich wie ein Fisch auf dem Trockenem nach Luft schnappte. Erst Minuten später folgte auf den Kälteschock eine brennende Wut, die mich allerdings nicht aufwärmte. 
Nebel hüllt mein ganzes Bad ein. Ich liebe es einfach, richtig heiß zu duschen. 
Meine Kleidung habe ich gleich in die Waschmaschine geworfen, mit der Hoffnung, dass sie wieder sauber wird. 
Ich seufze tief und genieße, wie das Wasser auf mich niederprasselt. So ein Regenduschkopf ist wirklich fantastisch. Ich spüre, wie ich langsam entspanne und meine Wut sich im Nebel meines Bades auflöst. 
Die Wohnungstür ist abgeschlossen, meine Nachbarn über mir sind in den Urlaub gefahren und ich darf meine Musik aufdrehen, wenn ich irgendwann einmal aufhöre zu duschen. Was für ein Glück das sich die Wohnung im Erdgeschoss befindet. Unter mir der Keller und über mir, keiner. Juhuu. 
Summend drehe ich mich im Kreis. Weißer Schaum läuft mir an den Beinen hinunter und verschwindet im Abfluss. Ich greife mir das Shampoo für schwarzes Haar und beginne kurz darauf meine Kopfhaut zu massieren. Samtweicher Duft steigt mir in die Nase. Einfach göttlich. Ich liebe dieses Aroma. Ich stutze. War das eben ein Geräusch? Ich lausche, aber höre nichts weiter. 
Du dumme Kuh. Du bist allein. 
Trotzdem spüle ich mir schnell meine Haare aus, stelle die Dusche ab und steige auf Zehenspitzen aus der Duschwanne. 
Eine Gänsehaut überzieht mich. Obwohl es im Bad feuchtwarm, ja schon fast schwül ist, beginne ich zu frieren. 
Mit zitternden Händen greife ich nach einem Handtuch und wickele es um meinen Körper, als ein dumpfer Schlag durch meine Wohnung hallt.
Mit einem Schrei drehe ich mich zur Tür. Verdammt, mein Badezimmer habe ich selbstverständlich nicht abgeschlossen. Mein Herz klopft mir bis zum Hals und ich atme hektisch. 
Vorsichtig tastete ich mich Schritt für Schritt vorwärts und presse mein Ohr gegen das massive Holz. Meine Hand legt sich krampfhaft um den Türdrücker. Mit der anderen suche ich den Schlüssel und kann ihn nicht ertasten. 
Auf dem Flur höre ich, wie etwas über mein Parkett kratzt. 
Scheiße! Ich streiche mir eine Strähne aus dem Gesicht und schaue mich um. Verdammt, verdammt, verdammt. 
Mit einer Hand vor dem Mund durchwühle ich meinen Schrank, finde aber nichts, mit dem ich mich verteidigen könnte. 
Mein Föhn liegt im Schlafzimmer und meine Nagelfeile müsste im Wohnzimmer auf dem Tisch ... Etwas geht klirrend zu Boden. Ein Aufjaulen. Ein Winseln.
»Sox«, flüstere ich und spüre meine Tränen. Panisch reiße ich die Tür auf und er rennt zwischen meinen Beinen hindurch. Im Flur sehe ich einen riesen großen Schatten an der Wand. Ich erstarre. Sekunden verstreichen, in denen ich mich nicht rühren kann. Mein Hund presst sich gegen meine nackten Waden und seine kalte Nase trifft mich empfindlich. Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Der Schatten bewegt sich auf uns zu. Mit einem Knall werfe ich die Tür zu und stemme mich dagegen. Mein Puls fühlt sich an, als würde er davon rasen und ich keuche. 
Der Schlüssel, wo ist dieser verdammte Schlüssel? 
Im Schrank, da wo du ihn immer hast, du Idiotin. 
Mit der flachen Hand schlage ich mir vor die Stirn, reiße den Spiegelschrank auf, nehme den Schlüssel und schließe uns im Bad ein. Kaum habe ich abgeschlossen, wummert es gegen die Tür. Zittrig weiche ich bis an die gekachelte Wand in meinem Rücken zurück. Meine Beine geben nach und ich kauere mich auf den feuchtkalten Boden. Sox zwängt sich ganz dich an mich, winselt und sträubt sein Fell.
Was geht hier nur vor? Was war das für ein Schatten? Die Tür erzittert unter den heftigen Schlägen und ich glaube nicht daran, dass sie noch lange standhalten wird. Kaum zu Ende gedacht, fliegt sie aus den Angeln. Rote Augen starren mich an und mir entfährt ein spitzer Schrei. Das Knurren von Sox, nehme ich nur vage wahr. 

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  Nun stehe ich hier. Im Raum der vielen Spiegel und ich weiß gar nicht, warum ich hier bin. Sieh dich an, sagten sie mir. Geh und sieh dich...