Mittwoch, 13. August 2014

Zurück ins Leben

Manchmal gibt es kein zurück.
Manchmal gibt es kein Entkommen.
Was für komische Gedanken. Tage kommen und gehen und ähneln sich so sehr, dass sie nicht zu unterscheiden sind. Die Sonne wärmt mich nicht, sie scheint erkaltet. Auf eine merkwürdige Weise auch unbarmherzig. Kann ich sie nur nicht mehr fühlen? Habe ich vergessen?
Noch immer sitze ich auf einer Bank in einem Park, dessen Namen ich nicht kenne. Meine Kleidung zerschlissen, an vielen Stellen gerissen und uralt, bedeckt die wichtigsten Stellen meines Körpers. In einer Tasche liegt die Nadel. Mein Mut verließ mich und sie wegzuschmeißen traue ich mich nicht.
Vielleicht Morgen. Vielleicht mache ich es morgen.
Erlösung, danach sehne ich mich. Einen Ausweg aus meinem trostlosen Dasein, da mich niemand braucht.
Morgen -
Nach einer für mich endlosen Zeit stehe ich auf, begebe mich zu dem kleinen See, der blau schimmern sollte. Auf mich wirkt er jedoch dreckig, schlammig und stinkt. Ich rümpfe die Nase und bedecke sie mit einer Hand. Wann passierte es mir eigentlich, dass die Welt sich anders anfühlt? Wo bin ich überhaupt?
Ich starre in das braune Wasser, doch es will mir nicht einfallen. Nachdenklich kaue ich auf meiner Unterlippe und drehe mich um.
Keine Ahnung.
Dieser Ort ist mir fremd. Kommt mir falsch vor. In der Ferne erblicke ich ein Pärchen, das sich lachend ansehen. Es schmerzt und klingt lauter als ein Düsenjet, der im Tieflug über mir hinwegfegt. Platz jetzt mein Trommelfell. Plötzlich verschwindet der Park und ich stehe auf einer Straße. Mein Herz beginnt zu rasen und meine Gedanken überschlagen sich. Etwas in mir möchte, dass ich mich erinnere, aber woran? Woran soll ich mich erinnern? Ich lebe auf der Straße, bin einer dieser Penner, die sich mit Alkohol und Drogen am Leben halten. Auch jetzt tue ich nichts anderes. Ich taste vorsichtig nach der Nadel und atme erleichtert auf. Sie ist noch da.
Moment
Das ist nicht ganz richtig. Ich war einer dieser Penner. Ich wollte mir mein verfluchtes Leben nehmen - bin ich diesem Leben nicht entkommen? Träume ich? Der See, ja ich kenne ihn - woher? Leere,  nichts als eine gähnende Leere herrscht in meinem Kopf. Eine Stimme dringt in meine Gedanken ein. Sie klingt, als wäre sie dicht an meinem Ohr. Mein Trommelfell war wohl doch nicht geplatzt.
»Herr Marjes: Herr Marek Marjes!«
Ich drehe meinen Kopf. Nicht eine Menschenseele befindet sich in meiner Nähe. Mein Herz pumpt das Blut schneller durch meinen Körper, der sich schlagartig taub anfühlt. Was ist denn jetzt los? Ich kann meinen Arm nicht bewegen. Verblüfft versuche ich meine Finger zu spreizen und mir läuft es eiskalt den Rücken runter. Gelähmt, ich bin gelähmt. Ängstlich schaue ich mich auf der Straße um. Ich bin allein oder etwa nicht?
Nein, weit vor mir liegt ein Mensch und bei diesem knien zwei Gestalten, die weiß - orangefarbene Klamotten tragen. Ich kenne sie. Kenne ihre Sorte, wie heißen sie noch mal?
Entfallen.
Zögenrnd gehe ich näher heran, stiere auf das Gesicht des Mannes, der am Boden liegt, während sich meine Kehle zuschnürt. Mein Gesicht.
»Marek!«, ruft mich einer dieser - Sanitäter fällt es mir wieder ein. Ich spüre einen Stich in meiner linken Armbeuge und schreie beinahe erschrocken auf. Sterbe ich jetzt? Was ist geschehen? Erst in diesem Moment sehe ich das Auto und erinnere mich.

Gehetzt sah ich auf die Uhr und trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Wenn ich meine Frau rechtzeitig abholen wollte, musste ich mich beeilen. Sie verließ sich auf mich und ich hatte nichts Besseres zu tun, als die verdammte Ablage bis zum Ende abzuarbeiten. Ich habe sie vergessen. Die Kurve, ich sah die Hinweisschilder nicht und verlor die Kontrolle über meinen Wagen und -

Zurück, ich darf nicht sterben!
»Herr Marek Marjes, können sie mich hören?«
Ja, möchte ich schreien und vor meinen Augen verschwimmt die Straße, die beiden Männer, die vor mir knien und auch mein regloser Körper. Ich blinzle und blicke in das Gesicht eines noch jungen Mannes, der ein erleichtertes: »Puh« ausstößt.

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  Nun stehe ich hier. Im Raum der vielen Spiegel und ich weiß gar nicht, warum ich hier bin. Sieh dich an, sagten sie mir. Geh und sieh dich...